Zarter Wirtschaftsaufschwung in Hannover

„Der Aufschwung ist robust, daran ändert auch die Krise um Griechenland und Währungsunion nichts“, wird Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, in einer der jüngsten Ausgaben der Wirtschaftswoche zitiert – eine Aussage, die auch für die Region Hannover Gültigkeit hat?

Wie die dritte Geschäftsklimastudie der studentischen Unternehmensberatung Janus Consultants e. V. zeigt, hat mit dem Frühling auch das aufkeimende Pflänzchen Wirtschaftsaufschwung in unserer Region Einzug gehalten. Der ohnehin schon geringe Beschäftigungsabbau verlangsamte sich weiter, die Zuversicht für die anstehenden Aufgaben der kommenden Monate wächst mit jedem neuen Auftrag in den Büchern. Der Region Hannover geht es augenscheinlich gut: Die Hannover Scorpions sind Deutscher Eishockeymeister, Hannover 96 konnte dem Abstiegsgespenst ein Schnippchen schlagen und Lena verzaubert nicht nur die Deutschen im Allgemeinen und Hannover im Speziellen, sondern ganz Europa – herzlichen Glückwunsch!

Auf Basis einer Onlinebefragung, in Kooperation mit der hannoverimpuls GmbH, nahmen 262 Unternehmen aus der Region teil. Dabei gehören gut die Hälfte den zentralen Fokusbranchen Automotive, Energiewirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologien, Life Sciences, Optische Technologien und Produktionstechnik an. Dies entspricht bedauerlicherweise einem Rückgang der Teilnehmerzahl im Vergleich zur Befragung im November 2009. Mit gut 10 % Rücklaufquote ist abermals Potenzial vorhanden, weitere Unternehmen für die kommenden Umfragen zu begeistern. Neben der Ermittlung der Geschäftslage und -erwartung ermöglicht aber auch die dritte Studie wichtige regionale Einblicke in die unternehmerischen Reaktionen auf den bevorstehenden Wirtschaftsaufschwung in Deutschland, Europa und der Welt.

Folgende Übersicht fasst die zentralen Ergebnisse der dritten Geschäftsklimastudie für die Region Hannover zusammen:

Geschäftslage & -erwartung:

Die Geschäftslage wird sowohl aktuell als auch für die vergangenen sechs Monate von den befragten Unternehmen als „gut“ (28 %) bzw. „befriedigend“ (57 %) oder „eher günstiger“ (41 %) bzw. „etwa gleichbleibend“ (37 %) bewertet. Die Lage scheint sich mehr als nur stabilisiert zu haben. Vier von fünf befragten Unternehmen blicken somit positiv auf die aktuelle Lage oder sind zumindest nicht negativ gestimmt. „Eher günstiger“ sehen mittlerweile 43 % der Unternehmen ihre Geschäftserwartungen für die kommenden sechs Monate. Aggregiert mit den konstanten Erwartungen (45 %) ergibt sich für die Pessimisten unter den Unternehmen gerade einmal ein Anteil von 12 % – so wenig wie noch nie in der einjährigen Historie der vorliegenden Geschäftsklimastudie von Janus Consultants e. V.

Investitionsentwicklung & -planung:

Die Investitionsplanung sowie auch die Entwicklung der Investitionen der Unternehmen in der Region innerhalb der letzten Monate zeigen ebenfalls keinen Einbruch – ganz im Gegenteil. Rund 24 % (zuvor: 23 %) der Unternehmen weisen „steigende“, 42 % „gleichbleibend hohe“ Investitionen (zuvor: 40 %) innerhalb der letzten sechs Monate aus. Auch die Planungen für die kommenden Monate spiegeln dieses Bild wider: Bereits 28 % der Unternehmen geben an, ihre Investitionen steigern zu wollen, 38 % gehen von gleichbleibend hohen Investitionen aus. Die TOP3-Motive für Investitionen sind erneut Kapazitätserweiterungen, Ersatzbedarf und Produkt- bzw. Verfahrensinnovationen.

Personalplanung:

Die Mitarbeiterzahlen der befragten Unternehmen erweisen sich abermals sowohl rückblickend als auch perspektivisch als stabil. Bei äußerst erfreulichen 90 % der Befragten gab es in den vergangenen sechs Monaten keinen Arbeitsplatzabbau bzw. teils wurde sogar die Personaldecke erhöht – nur bei den übrigen 10 % musste Personal reduziert werden. Die Mitarbeiterzahlen werden sich gemäß Umfrage bei 92 % der Unternehmen in den kommenden sechs Monaten voraussichtlich nicht verringern.

Geschäftsklima Spezial – Kreditversorgung und Wirtschaftsfonds:

Erneut interessierte uns in dieser Umfrage das aktuelle Kreditumfeld der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), da die Diskussionen um eine mögliche Kreditklemme nicht abreißen wollen und die Bundesregierung mit dem Wirtschaftsfonds Deutschland sowie der Implementierung eines Kreditmediatorenteams im Rahmen des Konjunkturpaketes II erste Gegenmaßnahmen ergriffen hat. Rund 50 Unternehmen haben in der Studie angegeben, dass sie in den vergangenen Monaten einen Kredit bei ihrer Hausbank beantragt haben. Die Hürden für eine Kreditvergabe scheinen im Vergleich zur Vorstudie gesunken zu sein, wenngleich viele Unternehmen das Umfeld (Zinssatz, Sicherheitenstellung, Antragsdauer, Unterlagenumfang) immer noch als negativ einstufen und circa 80 %– auch aus diesen Gründen – erst gar keinen Antrag gestellt haben. In diesem Zuge wurde für die kurzfristige Liquiditätsplanung auch eine mögliche Kürzung des Kontokorrentrahmens seitens der Hausbank abgefragt. Dieser ist bei 86 % konstant geblieben und hat sich bei 9 % sogar erhöht. Wohl auch aus diesen sowie weitergehenden strategischen Überlegungen heraus, haben nur 3 % der Studienteilnehmer überhaupt Mittel aus dem Wirtschaftsfonds Deutschland beantragt.

Experteninterview:

Im Experteninterview bestätigt Prof. Dr. Javier Revilla Diez erste Erholungstendenzen nach der Finanz- und Wirtschaftskrise – allerdings gibt der Professor des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover und Wissenschaftliche Leiter des Niedersächsischen Instituts für Wirtschaftsforschung (NIW) auch zu bedenken, dass die sich zuspitzende Haushaltslage diverser Mitgliedstaaten der Europäischen Union gepaart mit den Ansteckungseffekten für die europäische Gemeinschaftswährung den wirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands und der Region Hannover in den kommenden Monaten noch gefährden können. Für die Region Hannover sieht er weiterhin ein konsequentes Vorantreiben der Branchendiversifizierung als zentrale Aufgabe, auch um die Abhängigkeit von wenigen Großunternehmen und traditionellen Leitbranchen wie der Automobilindustrie zu reduzieren – gerade in wirtschaftlichen Krisenzeiten. Entwicklungspotenziale bieten dabei laut Professor Revilla Diez insbesondere die Bereiche Produktionstechnik und optische Technologien sowie die Umwelttechnologien, Informations- und Kommunikationstechnologien oder die Gesundheitswirtschaft. Auch die vielfältigen Forschungs- und Bildungseinrichtungen in der Region, wie z. B. die Leibniz Universität oder die Medizinische Hochschule, stellen dabei aus Sicht des Professors für Wirtschaftsgeographie zentrale Standortvorteile dar. Für die Zukunft erachtet er dennoch eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung für notwendig, um eine zukunftsfähige Entwicklung unserer Region zu gewährleisten.

 

Diese Ergebnisse erlauben erneut interessante und aussagekräftige Einblicke in die konjunkturelle Situation der Unternehmen in unserer Region Hannover. Langfristig soll eine hohe Beteiligung sichergestellt werden, um die Erstellung eines regelmäßigen regionalen Geschäftsklimaindizes zu ermöglichen, der einen Vergleich mit dem bundesweiten ifo-Geschäftsklimaindex und somit einen Vergleich der regionalen Wirtschaftssituation mit dem Bundestrend ermöglicht.