Super Stimmung in Hannover

“Wir könnten 10 bis 15 gute Jahre vor uns haben”, sagt Hans-Werner Sinn, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, zur Konjunktur in Deutschland. Soweit gehen wir mit unseren Aussagen nicht - dennoch bestätigt die 4. Geschäftsklimastudie die weiterhin positive Stimmung der Wirtschaft in unserer Region Hannover.

Auch die “Schnellstraße zur Vollbeschäftigung” scheint “fertig gestellt”, wie Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle kürzlich zitiert wurde. Sorge bereitet jedoch der Fachkräftemangel - wie unsere aktuelle Geschäftsklimastudie zeigt, ein zunehmend wichtigeres Thema auf der Agenda der Unternehmen der Region.

Auf Basis einer Onlinebefragung, in Kooperation mit der hannoverimpuls GmbH, nahmen 427 Unternehmen aus der Region teil. Dabei gehören knapp die Hälfte den zentralen Fokusbranchen Automotive, Energiewirtschaft, Informations- und Kommunikationstechnologien, Life Sciences, Optische Technologien und Produktionstechnik an. Dies entspricht einem deutlichen Anstieg der Teilnehmerzahl im Vergleich zur Befragung im Mai 2010. Mit gut 10 % Rücklaufquote ist abermals Potenzial vorhanden, weitere Unternehmen für die kommenden Umfragen zu begeistern. Neben der Ermittlung der Geschäftslage und -erwartung ermöglicht die vierte Studie auch wichtige regionale Einblicke in die aktuelle Beschäftigungssituation - welche in Anbetracht des drohenden Fachkräftemangels einiges an Diskussionsstoff zu bieten hat.

Folgende Übersicht fasst die zentralen Ergebnisse der vierten Geschäftsklimastudie für die Region Hannover zusammen:

Geschäftslage & -erwartung:

Die große Mehrheit der befragten Unternehmen gab an, dass sich die Geschäftslage in den letzten sechs Monaten verbessert (45 %) oder nicht verändert hat (42 %) und schätzt die aktuelle Lage als „gut“ (37 %) oder „befriedigend“ (49 %) ein. Eine negative Sicht der Situation herrscht bei wesentlich weniger Unternehmen: Für nur 13 % hat sich die Geschäftslage in den letzen sechs Monaten verschlechtert und nur 14 % bewerten die aktuelle Lage als „schlecht“. Im Vergleich zur letzten Geschäftsklimastudie im Mai 2010 lässt sich eine deutlich positive Entwicklung ablesen. Die optimistische Stimmung setzt sich auch in den Erwartungen fort. Nur 11 % der Unternehmen sind der Meinung, dass sich ihre Lage in den nächsten sechs Monaten verschlechtern wird, was den niedrigsten Stand seit Beginn des Geschäfts-klimastudienprojekts von Janus Consultants e. V. im Mai 2009 darstellt.

Investitionsentwicklung & -planung:

Die Investitionsentwicklung innerhalb der letzten Monate verlief in der Region weiterhin positiv. Rund 28 % (zuvor: 24 %) der Unternehmen weisen „steigende“, 41 % „gleichbleibend hohe“ Investitionen (zuvor: 42 %) innerhalb der letzten sechs Monate aus. Lediglich 10 % der Unternehmen verzeichneten niedrigere Investitionen (zuvor: 14 %). Auch die Investitionsplanungen bestätigen diesen Trend, da insgesamt 71 % der Unternehmen in den nächsten sechs Monaten eine steigende oder gleichbleibende Investitionstätigkeit beabsichtigen, während nur 6 % eine Senkung des Investitionsvolumens planen. Das entspricht einem Rekordtief. Die TOP3-Motive für Investitionen sind dabei Ersatzbedarf, Kapazitätserweiterungen und Produkt- bzw. Verfahrensinnovationen.

Personalplanung:

Bei der Entwicklung des Personalbestandes herrscht eine erfreuliche Stabilität. Der ohnehin kleine Anteil der Unternehmen, die ihr Personal in den letzten sechs Monaten reduzieren mussten (9 %), ist seit der letzten Studie sogar noch um einen Prozentpunkt gesunken. Entsprechend haben 91 % der Befragten keine Stellen abgebaut oder sogar neue geschaffen. Auch planen 94 % der Unternehmen für die nächsten sechs Monate keine Verringerung der Mitarbeiterzahl.

Geschäftsklima Spezial:

Ob Roland Berger, Prognos oder Bitkom; zum Thema Fachkräftemangel wurden in den letzten Monaten zahlreiche Studien veröffentlicht und darüber hinaus in den Medien hitzig diskutiert. Wie aber sieht es in der Region Hannover aus? Eine eindeutige Antwort gestaltet sich schwierig. Zwar haben nur 17 % der befragten Unternehmen offene Arbeitsstellen, die sie nicht besetzen können, doch hat die Nichtbesetzung bei mehr als der Hälfte der betroffenen Unternehmen „sehr starke“ (6,6 %) oder „starke“ (49,2 %) Auswirkungen. Die drei meistgenannten Folgen sind dabei eine steigende Arbeitsbelastung der bestehenden Belegschaft, das Nichtausschöpfen des eigentlichen Wachstumspotentials, sowie die Vernachlässigung der internen Unternehmensentwicklung. Als Hauptgrund für den Umstand, dass Arbeitsplätze nicht besetzt werden können, wird dabei mehrheitlich auf die mangelnde Qualifizierung der Bewerber (51 %) verwiesen, allerdings spielen auch zu hohe Lohnforderungen (20 %) und Bewerbermangel (18 %) eine Rolle.

Die befragten Unternehmen stimmten auch über Maßnahmen ab, die der angesprochenen Problematik entgegenwirken sollen. In diesem Zusammenhang gaben viele der Unternehmen an, bereits Schritte in diese Richtung unternommen zu haben. So schreiben sie vor allem der Intensivierung betrieblicher Ausbildung, der Steigerung von Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterzufriedenheit sowie der Einkauf externer Dienstleistungen und der Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen eine hohe Lösungskompetenz zu.

Experteninterview:

Im Experteninterview bestätigt Prof. Dr. Peter von Mitschke-Collande die aktuell positive Beschäftigungssituation in der Region, warnt aber gleichzeitig vor langfristigen Auswirkungen des demografischen Wandels. Obwohl die Situation auch in den nächsten Jahren stabil bleibe, dürfe Hannover die Herausforderungen durch rückläufige Bevölkerungsentwicklung und Konkurrenz zu Metropolregionen wie Berlin oder Hamburg nicht vernachlässigen. In diesem Zusammenhang könnten vor allem die Vernetzung von Hochschulen und Unternehmen, sowie eine Stärkung der „weichen Standortfaktoren“ hilfreich sein, Fachkräfte in der Region zu halten und die Attraktivität zu steigern.

Auch bei der Bildungspolitik sieht Professor von Mitschke Collande Nachholbedarf: Eine zentrale Gestaltung sollte dem Bildungsföderalismus vorgezogen werden, des Weiteren müsse die Ausbildung generell stärker Selbstständigkeit und Flexibilität fördern. Im Gegensatz zu anderen europäischen Modellen wird die Umsetzung des Bologna-Prozesses in Deutschland als Rückschritt angesehen. Anstatt Ausbildungszeiten zu verkürzen sollte eine größere Aufmerksamkeit auf das duale Studium und die duale Ausbildung gelegt werden.

Auch die Unternehmen selbst könnten eine ganze Menge tun, um dem Fachkräftemangel vorzubeugen. Insbesondere Kleinunternehmen hätten die Chance sich durch die Ausgestaltung und Kommunikation einer individuellen Unternehmenspolitik, sowie durch Bildung von strategischen Allianzen als attraktive Arbeitgeber zu positionieren.

In der Gesamtschau erlauben diese Ergebnisse erneut interessante und aussagekräftige Einblicke in die konjunkturelle Situation der Unternehmen in unserer Region Hannover. Langfristig soll eine hohe Beteiligung sichergestellt werden, um die Erstellung eines regelmäßigen regionalen Geschäftsklimaindizes zu ermöglichen, der einen Vergleich mit dem bundesweiten ifo-Geschäftsklimaindex und somit einen Vergleich der regionalen Wirtschaftssituation mit dem Bundestrend ermöglicht.